Neun Kinder hat die Stickerin Anna Maria Boxler geboren, sieben von ihnen wurden ihr von den Behörden weggenommen, fremdplatziert oder verdingt. Über fünfzig Mal musste sie in ihrem Leben umziehen, wurde verurteilt wegen Ungehorsam, Abtreibung und Prostitution, war zwischenzeitlich administrativ versorgt. Lisbeth Herger und Heinz Looser verfolgen die Spuren von Anna Maria Boxler, der lange tabuisierten Grossmutter des Historikers Looser. Dieser recherchierte in Kirchen-, Dorf— und Staatsarchiven in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich sowie in den Akten der Armenfürsorge, wo eindrückliche Bittschriften der Grossmutter auftauchten. Die persönlichen Briefe zeigen eine widerständige Stickerin im Kampf ums Überleben und geben — ergänzend zu den Behördendokumenten — einen einzigartigen Einblick in ein Frauenleben aus der Unterschicht. Dramatisch schildert die Autorin Lisbeth Herger die Recherche des Enkels und das Leben seiner Grossmutter. Dabei entsteht das Bild eines zwischen Sehnsucht und Schande verkeilten Lebens in einer Gesellschaft, die Armut als moralisches Versagen verurteilt. Ein historisches Glossar erlaubt eine vertiefte Einbettung dieses Lebens in die Geschichte der Schweiz dieser Zeit.